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Bild: Canva

Von und über natureplus

Nachhaltigkeit Lieferkette Bau

Nachhaltige Lieferketten werden in Deutschland und Europa zum Gesetz, auch im Bausektor müssen Firmen künftig nachweisen, dass sie sich um Menschenrechte und Umweltschutz bemühen. In einem durch Bundesmittel geförderten Projekt hat natureplus Wege aufgezeigt, wie das auch für kleinere Unternehmen möglichst unbürokratisch gelingen kann.

April 15, 2024

Deutschland ging voran mit dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), jüngst folgte Europa mit der Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD). Menschenrechte, Umweltschutz und Ressourcenschonung sind die Ziele dieser Gesetzgebung. Dies bedeutet nun auch zusätzliche Dokumentationspflichten für Unternehmen im Bausektor und damit: Unsicherheit und Bürokratie. Um dem vorzubeugen, hat der natureplus e.V. den Dialog mit der Branche gesucht.

Projektrahmen

Das Projekt NaLiBau (Nachhaltigkeit durch Transparenz in der Lieferkette Bau – Gemeinsame Standards der ökologischen und sozialen Nachhaltigkeit in unterschiedlichen Produktkategorien des Bauwesens über die Lieferkette) befasste sich mit der Umsetzung der unternehmerischen Sorgfaltspflichten im Bausektor. Die Forschungsthese: Erhöhte Transparenz und gemeinsame Deklarationsstandards tragen zu einer Verbesserung der Lieferketten im Bausektor bei. Zudem verbessert sich der Informationsfluss und ausufernde Dokumentationspflichten können eingehegt und kanalisiert werden. Zu diesem Zweck sah das Forschungsteam eine Deklarationsplattform als Transparenzinstrument als vielversprechende Möglichkeit an.

Es wurden Akteur*innen im Bausektor identifiziert und in kooperativen Formaten vernetzt. In fünf Konferenzformaten mit über 100 interessierten Teilnehmer*innen wurden die Thesen diskutiert, überprüft und weiterentwickelt. Die bestehende unternehmerische Praxis zur Lieferkettendokumentation wurde untersucht, insbesondere bestehende Zertifizierungssysteme, Staatliche Rahmenbedingungen, Datenbanksysteme und der Umgang mit Corporate Social Responsibility (CSR) waren Gegenstand der Recherche und Diskussion im Austausch mit den Expert*innen.

Das Projekt wurde unter Leitung von Dr. Rolf Buschmann durch den natureplus e.V. initiiert und unter Mitwirkung der natureplus Institute SCE mbH im Oktober 2021 begonnen. Im Dezember 2023 konnte der Forschungsbericht erfolgreich abgeschlossen werden. Das Projekt wurde gefördert vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Auftrag des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) aus Mitteln des Innovationsprogramms Zukunft Bau.

Warum ist das Thema für den Bausektor relevant?

Das Forschungsfeld ist jung. Der praktische Aspekt der Dokumentation zu Menschenrechten, Klima- und Ressourcenschutz wurde in der Vergangenheit in separaten Sorgfaltsberichten abgehandelt. Diese waren aufwändig in der Erstellung und sperrig in der Datenhandhabung. Eine zentrale Verfügbarkeit, vergleichbar mit den Ökobilanzdaten, gibt es bislang nicht.

Aber gerade in letzter Zeit ist viel passiert: Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) trat zum 01.01.2023 noch während der Projektlaufzeit in Kraft. Etwa ein Jahr später ist nun auch das europäische Pendant, die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD), auf der Zielgeraden (siehe auch natureplus News: „Einigung über EU-Lieferkettengesetz“ ). Parallel wird auch das Berichtswesen über die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) harmonisiert. Der Bausektor ist kleinteilig organisiert, viele KMU und Kleinstbetriebe sehen sich mit den neuen Berichtspflichten überfordert. Für viele Unternehmen kommt die neue Pflicht als unliebsame Überraschung, herangetragen vor allem über Auftraggeber, die ihrerseits zur erhöhten Transparenz verpflichtet sind.

Gleichzeitig zeichnet sich der Bausektor durch einen enormen Ressourcenbedarf aus, was ihn für Fragen der Lieferkettenauswirkungen äußerst relevant macht. Welche Wege hat ein Produkt zurückgelegt? Welche Auswirkungen hat das Produkt insgesamt auf die Umwelt (Stichwort Biodiversität)? Werden Menschen entlang der Lieferkette fair behandelt, oder werden Menschenrechte systematisch missachtet? Eine Architektin, die ihr Projekt plant, ein Ingenieur, der Bauleistungen ausschreibt, hat derzeit keine Chance, diese Fragen für Bauprodukte seriös zu beantworten. Gleichzeitig fordern die Projektträger genau diese Informationen nun ein, um den Anforderungen der EU-Taxonomie für ihr Projekt zu entsprechen. Folglich suchen auch Zertifizierungsorganisationen wie die DGNB, BNB, natureplus u.a. nach Möglichkeiten, um Lieferqualitäten abbildbar zu machen.

Entsprechend groß war das fachliche Interesse an dem NaLiBau-Projekt von natureplus, entsprechend hochkarätig war der Projektbeirat besetzt: Neben Claus Asam, dem Vertreter des BBSR, waren Katrin Mees vom Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB), Cynthia Imesch als Entsandte des Concrete Sustainability Council (CSC), Dr. Christine Lemaitre für die Deutsche Gesellschaft für nachhaltiges Bauen (DGNB), Eva-Maria Reinwald vom Südwind e.V. und Ulrich Malessa und im späteren Projektverlauf Simone Herold für das Forest Stewardship Council Deutschland (FSC) vertreten.

Projektergebnisse und Erkenntnisse

Die Initiation des Dialogs mit den Branchenakteur*innen war das erste wichtige Teilziel des Projekts. Fachleute berichteten über die neuesten Entwicklungen, das bestehende Berichtswesen wurde vorgestellt und kritisch hinterfragt. Die diversen Akteur*innen konnten ihre Perspektiven einbringen und es entstand ein Gesamtbild der Branchensituation auch mit Blick über die deutschen Landesgrenzen hinaus. Die Akteur*innenkonferenzen beleuchteten jeweils eigene Fragestellungen und erarbeiteten Teilaspekte für das Konzept eines Transparenzinstruments.

a) Datenbank

Der Projektbericht beschreibt die konzeptionellen Rahmenbedingungen für eine Datenbank zur Deklaration von Lieferkettenqualitäten von Bauprodukten. Als Hauptnutzende wurden Baustoffhersteller identifiziert, die über das Instrument zunächst eine Hilfestellung zur systematischen Herangehensweise im neuen Thema „unternehmerische Sorgfaltspflicht“ erhalten sollen. Planer*innen, die Objektqualitäten dokumentieren müssen, könnten ebenfalls von einer solchen Plattform profitieren. Analog oder ergänzend zur etablierten „ökobau.dat“-Datenbank des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) könnte das Transparenzinstrument als Informationsquelle für Bauschaffende und Forschende dienen. Schrittweise könnte dann die Detailtiefe der Lieferkettendokumentation und der Risikoermittlung für Unternehmen und deren konkrete Bauprodukte erhöht werden können. Als Output könnte die Software das Berichtswesen unterstützen und sollte über zahlreiche Schnittstellen eine breite Anwendung finden.

b) Eingrenzung der Risiken

Auch das Thema der Lieferkettenrisiken wurde im Projektteam und mit den Akteur*innen neu beleuchtet: Der Begriff beschreibt bislang das Ausfallrisiko im Sinne der Produktionssicherheit. Das Forschungsteam schlägt einen Perspektivenwechsel vor: Auch Verstöße gegen Menschenrechte, sowie Umweltverschmutzung, Ressourcenausbeutung und Gesundheitsgefährdung sollten systematisch erfasst und bewertbar gemacht werden. Dabei schlägt das Team eine Unterscheidung vor in Transportrisiken, Regionale Risiken, Materialrisiken und Prozessrisiken. Um Risiken generell gering zu halten, sind also kurze Lieferwege aus stabilen demokratischen Ländern sowie ungefährliche Materialien und einfache Prozesse die Basis. Aber was, wenn das nicht so einfach möglich ist? Um Risiken auszuschließen (also die potenziellen Risiken zu senken), solle die Transparenz und die Nachweistiefe erhöht werden.

c) Rolle von Labels

Eine Schlüsselrolle wird dabei den bestehenden Chain-of-Custody-Label zukommen, welche bereits heute Lieferketten von der Rohstoffquelle bis zum Endprodukt durchleuchten und verifizieren. Zu nennen wären hier beispielsweise diverse Zeichen (z.B. FSC, PEFC und Holz von Hier) für die Dokumentation von nachhaltiger Forstwirtschaft oder auch Fairstone für Qualitätsstandards im Tagebau. Die Verifizierungsinformationen sollen die Herstellerdeklaration ergänzen und Bauprodukte mit unproblematischen Lieferketten sollen damit aufgewertet werden. Auffällig ist, dass im Bereich der petrochemischen Rohstoffe keine Chain-of-Custody Systeme genannt werden.

Durch die Plattform würde zunächst ein einfacher Deklarationsstandard etabliert, ein Protokoll, das den Austausch ermöglicht, der wiederum von PlanerInnen oder HerausgeberInnen von Produktlabeln oder von Gebäudezertifizierungssystemen aufgegriffen werden kann. Dies könnte Lieferkettenqualitäten greifbarer machen und die wachsende Nachfrage ohne allzu viel Papierkram in geordneter Form bedienen. Auch eine Bewertung der Lieferkettenrisiken ist den Autoren zufolge eine wünschenswerte Erweiterung.

Das Projekt zeigt jedoch auch einige bestehende Instrumente für KMUs auf: Schon heute bieten diverse Branchenverbände und Organisationen Hilfestellungen für die neuen Berichtspflichten der KMUs. Insbesondere zu nennen wären hier die Informationen und Tools des Deutschen Nachhaltigkeitskodex sowie der KMU-Kompass des Helpdesk Wirtschaft & Menschenrechte, getragen von der deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit GIZ und dem Bundesentwicklungsministerium BMZ.

Was bedeutet das für das natureplus Umweltzeichen und den Verein?

Die Projektpartner konnten die Kernthesen bestätigen und sehen sich nun mit vielen Folgefragen, insbesondere dem Thema der Erfassung und Bewertung von Lieferkettenrisiken, konfrontiert. Es wurde eine Bedarfsermittlung durchgeführt, eine Konzeptbeschreibung für ein Transparenzinstrument entworfen und der Branchendialog initiiert. Nun drängt die Frage nach der Umsetzung der Erkenntnisse in die Praxis.

Die schlechte Nachricht in diesem Zusammenhang: Das Folgeprojekt zur Prototypisierung dieser Datenbank gemeinsam mit der RWTH Aachen wurde mittlerweile abschlägig beschieden, auch wenn das Interesse an dem Thema weiterhin ausdrücklich besteht. Eine kurzfristige Umsetzung einer zentralisierten Transparenzplattform ist aus den Vereinsmitteln allein nicht stemmbar, ein weiterer Projektanlauf wird also vonnöten sein.

Gleichzeitig drängen private Anbieter auf den Markt und bieten kostenpflichtige Datenbank-Services mit unterschiedlichen Schwerpunkten an. Der Verein positioniert sich hier klar und eindeutig: Es sollte die Aufgabe der deutschen/europäischen öffentlichen Hand sein, eine Plattform und ein Austauschprotokoll zu schaffen.

Nichtsdestotrotz wird das Umweltzeichen von den gewonnenen Erkenntnissen profitieren und die Überarbeitung der Richtlinien zu nachhaltigen Ressourcengewinnung überarbeiten. Die zahlreichen neuen Kontakte sind wertvoll und die gewonnene Expertise bleibt im Team. Die nächste Chance zur Verbesserung des Status Quo kommt bestimmt.

Den Forschungsbericht stellen wir in Kürze auf unserer Projektseite zur Verfügung.

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